psychorat!

Das Beratungs-Spektrum bei "psychorat!"
anhand von Fallbeispielen:

Zur noch besseren Information für Ratsuchende sowie zur Herabsetzung etwaiger Hemmschwellen, einen Psychologischen Berater telefonisch zu konsultieren, ist hier eine umfangreiche Auswahl an Beispielen aus der langjährigen Praxis der psychologischen Telefonberatung bei "psychorat!" aufgeführt. Selbstverständlich sind alle dargestellten Fälle anonymisiert und zum Teil verändert, so dass eine etwaige Ähnlichkeit mit tatsächlichen aktuellen oder früheren Beratungsanliegen keine Identifizierung der Anrufer ermöglicht (abgesehen davon, dass die Telefonberatungen in den meisten Fällen ohnehin anonym erfolgen). Auch wurde Wert darauf gelegt, ein möglichst großes Beratungsspektrum zu erfassen; gleichwohl erhebt die Zusammenstellung weder Anspruch auf Repräsentativität noch auf Vollständigkeit. Im übrigen wurde in den Beispielen aus Vereinfachungsgründen zumeist auf die inhaltliche Wiedergabe derjenigen Gesprächsteile verzichtet, die lediglich der Abklärung dienten, ob ggf. eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung durchgeführt wird bzw. angezeigt ist oder zweckdienlicher wäre. Außerdem sind die Fallbeispiele aus redaktionellen Gründen auch ansonsten zum Teil stark verkürzt wiedergegeben. Für die Darstellungen wurde die Ich-Form aus der Perspektive der Beraterin/des Beraters gewählt.

Auch soll an dieser Stelle - um etwaigen Ängsten potentieller Ratsuchender gleichermaßen zu begegnen wie "neunmalklugen" Kritiken über die Falldarstellungen - ausdrücklich erwähnt werden, dass die Dialoge bzw. Fragen und Interventionen der Beraterin/des Beraters in einem anderen Kontext selbstverständlich auch anders ausfallen können; denn gerade bei einem psychologischen Beratungsgespräch handelt es sich - wie auch bei einem Therapiegespräch - um einen Dialog, dessen Verlauf weder durch das vom Klienten vorgetragene Anliegen vorherbestimmt ist, noch durch die Fachkompetenz, Erfahrung und Einfühlsamkeit des Beraters allein geprägt wird. Vielmehr wirken auf den Beratungshergang darüber hinaus auch die Persönlichkeiten beider Gesprächspartner, die "Chemie" zwischen ihnen, die Reflexionsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft des Ratsuchenden sowie die gesprächsspezifischen Besonderheiten des "Hier und Jetzt" mit ein, woraus sich ein jeweils einzigartiger unwiederholbarer interaktiver Prozess ergibt. Dieser entzieht sich infolgedessen in aller Regel auch einer Bewertung durch unbeteiligte Dritte; ja selbst dem Klienten kann die Entfaltung der Wirkung des Beratungsprozesses ggf. erst nach längerer Zeit bewusst werden, weil Beratungsgespräche, die durch professionelle Berater geführt werden, in aller Regel - insbesondere wenn sie den Klienten emotional aufwühlen oder für ihn grundlegende Themen berühren - längere Zeit nachwirken. Hieraus folgt, dass sich für den Ratsuchenden auch dann, wenn Reflexionsfähigkeit gegeben ist, die Beurteilungsmöglichkeit über einen Beratungserfolg im Sinne seines vorgetragenen Anliegens unter Umständen erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt erschließt.

"Einsamkeit": Ein Frau trägt vor, sie leide unter ihrer Einsamkeit; sie sei jetzt 45 Jahre alt und habe weder einen Partner noch Freunde. Weshalb dies so sei, erzählt sie mit trauriger Stimme, so als gäbe es keinerlei Perspektive. Ich höre heraus, dass die Anruferin alle Möglichkeiten, eine Partnerschaft zu finden, bisher ausschloss. Ich thematisiere mit ihr, ob sie vielleicht auch einen - ihr bisher nicht bewussten - Gewinn aus ihrer Einsamkeit bezieht, woraufhin sie nach längerem Nachdenken einräumt, zu genießen, dass sie in vielen Lebensbereichen autonom sein kann, niemanden braucht, von dem sie abhängig werden könnte, und entsprechend wenigen gesellschaftlichen Verpflichtungen ausgesetzt sei. Das durch das Beratungsgespräch in Gang gesetzte Bewusstmachen der Ambivalenz ihres gewählten Außenseiterseins ermöglicht ihr nun, einmal mehr bewusste Entscheidungen in verschiedenen Lebensbereichen zu treffen, ob sie das Eingebundensein in soziale Beziehungen statt als Verlust ihrer Unabhängigkeit besser als bedeutsamen Zugewinn an Lebensqualität begreifen kann. Bei einer in diesem Sinne vollzogenen Einstellungsveränderung würden ihr aller Voraussicht nach auch - ggf. in einem weiteren Beratungsgespräch zu erörternde - Wege einfallen, wie sie ihre bisherige Isolation überwinden kann.

"Den Partner verändern?": Ein Mann mittleren Alters schildert Probleme in seiner Partnerbeziehung. Seine Freunde fühlen sich überfordert, wenn er ihnen immer wieder von den gleichen Schwierigkeiten vorjammert. Ich nehme mir zunächst einmal Zeit, um dem verzweifelten Mann sehr aufmerksam zuzuhören. Behutsam versuche ich sodann, seine Aufmerksamkeit von den Klagen über die Partnerin weg auf seine eigene Person hinzulenken: Was trägt er selbst zu dem Spiel bei, das zwischen den beiden gespielt wird? Und was kann er bei sich selbst verändern, um die Situation positiv zu beeinflussen? Es ist weit verbreitet, immer gern den anderen verändern zu wollen - und es braucht Zeit, um zu begreifen, dass Veränderung aktiv nur bei der eigenen Person erfolgen kann. "Wenn im System einer etwas zu verändern beginnt, wird sich das ganze System verändern". In diesem Sinne endet das längere Gespräch mit positiven Perspektiven für den Anrufer.

"Neid am Arbeitsplatz": Ein engagierter junger Krankenpfleger kommt auf seiner Station nicht mehr zurecht. Er ist das jüngste Mitglied seines Teams und wurde zum stellvertretenden Stationsleiter befördert. Seine ältere vorgesetzte Stationsleiterin erhielt diesen Posten gegen ihren Willen und ist damit offenbar überfordert. Nun sitzt der junge Mann zwischen allen Stühlen: Einerseits macht er seine Arbeit gut und fühlt sich in seinem Beruf genau am richtigen Platz. Auf der anderen Seite haben buchstäblich alle Angst vor ihm: die Stationsleiterin, weil sie ständig von ihm auf Versäumnisse aufmerksam gemacht wird, die Mitglieder des Teams, weil sie ihm die Beförderung neiden und ihn als "Streber" erleben. Im Beratungsgespräch versuche ich, mit dem Anrufer zusammen in die jeweilige Sichtweise der Team-Mitglieder hineinzugehen, um die Gefühle der einzelnen so deutlich wie möglich bewusst zu machen. In dem Maße, wie der Anrufer lernt, sich in die Befindlichkeiten der einzelnen Mitglieder seines "Arbeitssystems" einzufühlen, kann er Ideen entwickeln, wie er künftig besser mit ihnen umgehen kann.

"Alkohol als Lückenfüller": Eine Frau mittleren Alters, die in ihrem Beruf außerordentlich tüchtig ist, bekommt mehr und mehr Probleme mit Alkohol. Sie versteht sich selbst nicht mehr und merkt zunehmend, dass sie Hilfe braucht. Im Beratungsgespräch interessiere ich mich für die Anlässe, bei denen die Anruferin in Versuchung gerät, zu viel zu trinken. Dabei stellt sich schnell heraus, dass es immer dann geschieht, wenn sie sich ausgepowert, allein, leer und verlassen fühlt. Alkohol füllt bei ihr eine Lücke aus, die in ihrem Leben deutlich klafft. Den sehr frühen Verlust ihres Vaters hat sie zu verarbeiten versucht, indem sie strebsam und mit ungeheurer Energie Beruf und Familie in Einklang zu bringen versucht, wodurch sie allerdings schnell die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht hat. In dem Krisengespräch erkennt sie nun die Zusammenhänge, findet heraus, wie sie sich sinnvollere Entlastungen verschaffen kann und mit welchen "attraktiveren" Betätigungen sie die bisher von ihr wahrgenommenen und mit Alkohol zugeschütteten "Lücken" in ihrem Leben ausfüllen kann. Darüber hinaus unterzieht sie sich nach Ermutigung durch mich einer längst notwendigen psychotherapeutischen Hilfe.

"Manisch-depressiver Ehepartner": Ein Mann mittleren Alters ruft an, weil er mit dem auffälligen Verhalten seiner Frau nicht mehr klarkommt und sich am Ende seiner Kräfte fühlt. Ich erkenne in der Schilderung des auffälligen Verhaltens typische Symptome eines manisch-depressiven Krankheitsbildes. Im Gespräch stellt sich heraus, dass seine Frau tatsächlich immer wieder in psychiatrischer Behandlung war (auch stationär), aber kein Arzt sich bislang die Mühe gemacht hat, den Ehemann über die Symptome des Krankheitsbildes aufzuklären. So interpretiert er in seiner Ahnungslosigkeit jede Art auffälligen Benehmens seitens seiner Frau als gegen ihn gerichteten persönlichen Affront. Hier kann das telefonische Beratungsgespräch weiterhelfen: Er lernt, depressive und manische Phasen der Krankheit seiner Frau besser in das alltägliche Zusammenleben zu integrieren. Er erkennt ferner, wie wichtig es ist, als Angehöriger eines durch Krankheit belasteten Menschen auch für sich selbst Unterstützung zu suchen.

"Probleme mit dem Stiefvater": Eine Mutter ruft an: Nach ihrer Scheidung hat sie wieder geheiratet - nun gibt es gravierende Probleme mit ihrem 13-jährigen Sohn, der in keiner Weise den Vorstellungen und Maßstäben ihres neuen Mannes entspricht. Der Sohn reagiert auf die überhöhten Forderungen des Stiefvaters mit totaler Leistungsverweigerung in der Schule und zusätzlich damit, dass er die Mutter unter Druck setzt, sie müsse sich zwischen ihm und ihrem Mann entscheiden. Ich schlage vor, eine Familientherapie durchzuführen - allerdings sieht die Mutter keine Möglichkeit, den Sohn dazu zu motivieren, dorthin mitzukommen. Im telefonischen Beratungsgespräch versuche ich, der Mutter dazu zu verhelfen, sich Schritt für Schritt in die Gefühlslage ihres Sohnes einzufühlen und Verständnis zu entwickeln für die Not, die sich hinter seiner Verhaltensauffälligkeit verbirgt. Dieser neu erarbeitete innere Zugang zu ihm ermöglicht es ihr, in einer Weise mit ihm ins Gespräch zu kommen, dass er sein Einverständnis zu einer gemeinsamen Familientherapie geben kann.

"Überraschende Trennung": Ein 50-jähriger Mann ruft in einer akuten Krise an: Mehrere Jahre nach seiner Scheidung hatte er wieder eine Freundin gefunden, mit der er zwar nicht zusammenlebte, aber sich doch regelmäßig traf. Sie war ihm zum wichtigsten Halt in seinem Leben geworden. Nun eröffnet sie ihm, dass sie die Beziehung mit ihm nicht weiterführen wolle, sondern sich von ihm zu trennen wünsche. Für ihn bricht eine Welt zusammen: unterschiedlichste Gefühle von Ratlosigkeit, Trauer, Wut, Zweifel und Misstrauen überschwemmen ihn. Ich halte es für wichtig, lange und geduldig zuzuhören und hierdurch einen Raum zu schaffen, in dem Gefühle wahrgenommen und ausgesprochen werden dürfen. In einem längeren Krisengespräch kommt erst an dessen Ende die Zukunft in den Blick: Wo besteht noch Klärungsbedarf zwischen den beiden, und worüber ist es wichtig, mit ihr noch zu reden? In einem weiteren längeren Gespräch bereite ich zusammen mit dem Anrufer ein in Aussicht stehendes Treffen mit der ehemaligen Freundin vor: Wo liegen die schlimmsten Ängste vor diesem Treffen? Was sind die wichtigsten Fragen? Dabei treten dann auch die eigenen möglichen Anteile des Anrufers am Scheitern dieser Beziehung in den Blick. In einem dritten Gespräch, welches nach dem Treffen stattfindet, zieht der Anrufer Bilanz über das "Trennungsgespräch": Im Vergleich zum ersten Anruf wirkt er wesentlich gefestigter - ich biete ihm an, ihn bei Bedarf noch ein Stück auf seinem Weg bei all dem zu begleiten, was ihn in Bezug auf seine Freundin im Anschluss an das Treffen noch bewegt.

"Der Andere ist so anders": Frau, in schwerer Partnerschaftskrise, trägt vor, dass ihre 20-jährige Beziehung zu ihrem Mann unwiederbringlich beendet wäre, wenn sie eine eigene Wohnung beziehen würde. Sie kann mit ihm nicht sein, aber ohne ihn auch nicht. Da sie sehr labil wirkt, vereinbare ich mit ihr, in diesem Zustand keine gravierende Lebensentscheidung wie die einer endgültigen Trennung zu treffen. Wir schauen uns stattdessen das Beziehungsmuster an und entdecken die typische Konstellation des "klammernden" und des "flüchtenden" Teiles sowie die Unfähigkeit auf beiden Seiten, die Andersartigkeit des jeweils Anderen akzeptieren zu können. Eine im Beratungsgespräch durchgeführte "Bilanzierung" der bei ihrem Partner wahrgenommenen "guten" und "schlechten" Charaktereigenschaften bzw. Verhaltensweisen sowie ein Sich-Einfühlen in die "Bilanzierung", die ihr Partner mutmaßlich vornehmen würde, bringt der Anruferin eine Fülle von neuen Erkenntnissen und schafft hierdurch in erheblichem Maße mehr Klarheit in der Beziehung mit ihrem Mann.

"Ansprüche/Erwartungen/Grenzen": 38-jährige Rheumatikerin beklagt, dass alle Freundschaften zu Bruch gehen. Sie ist traurig darüber, mehr aber noch bitter über sich selbst, dass sie immer wieder auf Leute hereinfällt, denen sie alles gibt, was sie hat, aber von denen nichts zu ihr zurückkommt. Sie weiß manchmal nicht, wohin mit ihrer Wut. Eine Psychotherapie habe sie bereits abgebrochen, nachdem sie schon einmal negative Erfahrungen mit einer Therapie gemacht hatte. Wir arbeiten einerseits ihre starke Anspruchshaltung heraus: von sich selbst viel zu erwarten, das gleiche aber auch von anderen zu fordern, und schließlich ihr Muster des Rückzugs, wenn sich in sozialen Beziehungen Probleme einstellen. Die Anruferin erkennt, dass es für sie wichtig ist, die Fähigkeit zu erlernen, auch ohne Rückzug oder vollständigen Beziehungsabbruch deutlichere Grenzen zu setzen.

"Aggressive Auseinandersetzungen": Anrufer beklagt, dass er sich nach Alkoholgenuss stets sehr aggressiv und abwertend seiner Frau gegenüber verhalte. Seine Frage, was er tun solle, beantworte ich mit der Gegenfrage, was er sich denn vorstellen könnte, zu tun. Er erwähnt, dass es ihm nicht ausreiche, sich jedesmal nach einem aggressiven Exzess zu entschuldigen, und nimmt sich vor, im nüchternen Zustand ihre von ihm gesehenen Schwächen anzusprechen. Er findet heraus, dass er den alkoholisierten Zustand dazu benutzt habe, ihr mal die Meinung zu sagen, und beschließt, nach angemessenen Methoden zu suchen, um mit ihr konstruktivere Auseinandersetzungen zu führen.

"Schwarz oder weiß": Anruferin fühlt sich innerlich zerrissen: viele familiäre Umstände haben ihre Gefühle und Beziehungen zu Familienangehörigen ins Gegenteil verkehrt. Alle, die sie bisher schätzte und mochte, werte sie jetzt vollständig ab, und alle, die sie in der Familie ablehnte, sehe sie jetzt mit Achtung. Ich frage sie, ob sie denn schon jemals ein Nebeneinander der Gefühle kennen gelernt habe. Dies verneint sie: entweder Liebe oder Kritik, entweder Nähe oder Distanz. Wir thematisieren, wie sich das für sie anfühlen würde, wenn die beiden jeweils gegensätzlichen Gefühle - situationsbezogen - nebeneinander sein "dürfen". Sie will sich erlauben, das künftig zuzulassen, und meldet mir zurück, dass allein die Vorstellung hiervon sehr spannend sei.

"Trauerarbeit": Frau, 38, Mutter von zwei 10 und 11-jährigen Kindern, hat vor zwei Jahren ihren Mann durch Tod verloren und im letzten Jahr eine Beziehung zu einem um 8 Jahre jüngeren Studenten aufgenommen. Dieser habe nun die Beziehung beendet und heute auch den gemeinsamen Urlaub abgesagt, der in Kürze stattfinden sollte. Sie ist in Not. Im Beratungsgespräch stellt sie für sich fest, dass sie den Verlust ihres verstorbenen Mannes in keiner Weise betrauert habe und nun den doppelten Verlust verkraften müsse. Wir suchen nach möglichen Wegen der Verarbeitung und Auseinandersetzung mit Abschied, Tod und Trauer (Geschichten schreiben, malen, einer Trauergruppe beitreten), und die Anruferin erkennt, dass es hierfür auch der ausreichenden Zeit bedarf.

"Altsein/Älterwerden": 56-jährige Frau möchte wissen, an wen sie sich in ihrer Partnerschaftskrise wenden kann. Ihr Ehemann sei 23 Jahre älter als sie, der Altersunterschied mache sich immer deutlicher bemerkbar. Sie flüchte in die Depression. Ich rate ihr, die mögliche hormonelle Seite der Depression mit ihrer Frauenärztin abzuklären, im übrigen - ggf. mithilfe einer Eheberatungsstelle - gemeinsam mit dem Ehemann die Gegebenheiten, die aus seinem vorgerückten Alter und dem großen Altersunterschied zwischen den beiden resultieren, verstehen zu lernen. Wir erarbeiten Möglichkeiten, wie sie sich Herausforderungen oder Krisen, die durch das Alter bzw. den Altersunterschied bedingt sind, in wertorientierter Haltung stellen kann.

"Lebensuntüchtigkeit/Ablösung verpasst": Eine Frau ruft in Sorge um ihren Bruder an, der lebensuntüchtig sei. Im Gespräch stellt sich folgendes heraus: Der Bruder ist 40 Jahre alt, wohnt noch bei der Mutter, ist nach 2 Unfällen nicht mehr voll arbeitsfähig. Mutter und Schwester managen offenbar das Leben des Mannes. Die Anruferin fragt mich, wie sie es anstellen könne, ihren Bruder zu einer Psychotherapie zu bewegen. Ich frage sie zunächst, welchen "Gewinn" sie und ihre Mutter daraus beziehen, das Leben des Bruders/Sohnes zu "managen". Nachdem ihr hierzu einige Aspekte eingefallen sind, thematisiere ich, dass der Erfolg psychotherapeutischer Arbeit auch von dem Leidensdruck und dem Willen zur Veränderung seitens des Betroffenen abhänge, und was die Mutter - wenn sie denn die Ablösung ihres Sohnes unterstützen will - insbesondere unter Berücksichtigung der angesprochenen "Gewinn"-Frage unternehmen könnte, um letztlich auch ihren Sohn mehr Autonomie zur Bewältigung des Ablösungsprozesses erwerben zu lassen.

"In Therapeuten verliebt": Eine Frau mittleren Alters hat Probleme in ihrer Psychotherapie: Sie habe sich in ihren Therapeuten verliebt, fühle sich in wachsendem Maße von ihm abhängig, habe Angst, die Therapie zu beenden und dann wieder allein und völlig ohne menschliche Kontakte, ohne Freunde, ohne Rückhalt dazustehen. Sie fragt mich, wie sie mit der Situation umgehen soll. Ich ermutige sie, die aus der Therapie für sie resultierenden Probleme auch in den Therapiestunden zu thematisieren und ggf. auf der Bearbeitung des Themas zu bestehen, wenn der Therapeut nicht genügend auf sie eingehen sollte. Außerdem überlegen wir Möglichkeiten, der Abhängigkeit zu begegnen.

"Coming-out": 19-jähriger Schüler, homosexuell, hat Probleme mit dem Coming-out. Wir spielen die beiden Möglichkeiten durch: Entweder, er lebt weiter wie bisher: bekennt sich zu seinem Partner allenfalls hinter vorgehaltener Hand, lebt sein Doppelleben und braucht dazu ungeahnte Energien - oder er nimmt die möglichen Risiken (Streit mit den Eltern, gesellschaftliche Nachteile) in Kauf und bekennt sich zu dem, was er eigentlich ist. Er erkennt, dass sein Weg wohl in die zweite Richtung gehen wird.

"Ehefrau hat Verhältnis": Männlicher Anrufer trägt vor, er habe nach 30-jähriger Ehe entdeckt, dass seine Frau seit einem Jahr ein Verhältnis mit seinem besten Freund hat. Was solle er machen? Wir kommen seinen Mustern auf die Spur: Sein Leben galt seiner Karriere, alles andere hatte wenig Gewicht. Er hat bisher nicht gelernt, gefühlsmäßig schwierige Situationen auch einmal auszuhalten und verständnisvoll mitzutragen - für ihn waren immer sofortige Problemlösungen wichtig. Sich in die Bedürfnisse seiner Frau einzufühlen, hat er nie richtig gelernt. Ich ermutige ihn dazu, das Verhalten seiner Frau zu verstehen und mit ihr geduldig ins Gespräch zu kommen. Sodann erarbeite ich mit ihm kleine Schritte in Richtung auf Verständnis und Aufmerksamkeit gegenüber seiner Frau und übe mit ihm den hierzu notwendigen Perspektivenwechsel, in diesem Fall also die Fähigkeit, sich in die Gefühlslage seiner Frau und damit auch in die von ihr empfundenen Defizite in der Paarbeziehung hineinzuversetzen.

"Flucht vor Therapeuten": Mann mittleren Alters fragt, ob man einen Psychotherapeuten wechseln kann. Bei näherer Nachfrage stellt sich heraus, dass es sein Muster ist, was sich durch sein Leben zieht: Immer, wenn ihn die Beziehung zu einem anderen Menschen nicht mehr befriedigt, geht er aus der Beziehung heraus. Daher rate ich im Falle seiner Unzufriedenheit mit der Therapie, die von ihm empfundene Störung direkt mit dem Therapeuten zu besprechen und nicht wieder einmal zu flüchten.

"Mangel an Autonomie": Eine Anruferin beklagt ihre Unfähigkeit zu arbeiten. Egal was sie sich vornimmt, lange halten ihre Vorsätze nicht. Die Beispiele hierfür berichtet sie hastig und aufgeregt, so dass ich den Verdacht hege, dass sie das auf irgendeine Weise erregt. Ich warte noch ab und frage sie, ob es in ihrem Leben Dinge gibt, die sie gut durchhält. "Ja, Schlafen, Nichts-tun und Träumen". Diese Aufzählung kommt wesentlich leiser, und ich kann etwas Verzweiflung darin wahrnehmen. "Wen würde es denn am meisten freuen in Deiner Familie, wenn das mit der Arbeit klappen würde?" "Ich glaube, meine Mutter". "Und erfreust Du Deine Mutter gern?" frage ich sie weiter. "Ehrlich gesagt nein, sie ist sogar die letzte, der ich diesen Gefallen täte". Also kannst Du sie sogar ärgern, wenn es bei Dir nicht klappt." "Ja, dann wird sie wütend, beschimpft mich, nennt mich Versagerin, und ich denke mir, was für eine Scheiß-Mutter sie doch ist". "Würdest Du demnach Dein Leben in den Griff kriegen, hieße das, Du würdest es Deiner Mutter recht machen, und wenn nicht, kannst Du ihr eins verpassen, obwohl Du ihr letztlich doch recht gibst, indem Du eben wieder nichts zu Ende bringst." "Hm, da ist was dran". "Wie sähe es denn aus, wenn Du's einmal Dir selbst recht machen würdest, unabhängig davon, wen das freut oder ärgert?" "Ja, darüber müsste ich nachdenken, wahrscheinlich bin ich die ganze Zeit damit beschäftigt, gegen etwas zu kämpfen anstatt für mich." "Was könnte denn das sein, womit Du es Dir recht machen könntest?" ... ...

"Umgang mit Missbrauch": 28-jährige Frau, Mutter von 2 kleinen Kindern, konnte bisher nicht das Trauma überwinden, von ihrem Stiefvater ab dem 9. Lebensjahr über längere Zeit missbraucht worden zu sein. Sie sei zwar unter ärztlicher Aufsicht, habe aber wegen Umzugs nicht die nötige Zeit, regelmäßig zur Therapie zu gehen. Vor allem verstehe sie ihre Mutter nicht, dass diese das Geschehene nicht verhindert habe. Sie wisse nicht, wohin mit ihrer Wut und bekomme immer wieder Panikattacken. Ich empfehle ihr, sich über ihre widerstreitenden Gefühle mit einer Person ihres Vertrauens auszutauschen, zu ihrer Entlastung ggf. einschlägige Literatur zu lesen und sich im übrigen zur regelmäßigen Wahrnehmung der vereinbarten Therapiestunden zu disziplinieren.

"Selbstwertproblematik": 35-jährige Frau ist in tiefer Krise: Sie wurde bei einer Auseinandersetzung von ihrem Ehemann tätlich angegriffen, sieht sich am Ende ihrer Beziehung, aber in finanzieller Abhängigkeit von ihrem Ehemann. Wir finden ihr Verhaltensmuster heraus: Sie muss um Anerkennung kämpfen, tut dies bis zur Selbstaufgabe, bekommt die Anerkennung aber dennoch nicht und unterwirft sich immer. Das Muster zieht sich durch mehrere Männerbeziehungen. Wir gehen den diversen inneren Stimmen in ihr nach, der verzweifelten, der trägen, der ratlosen, aber auch der - wenn auch zaghaften - selbst-bewussten Stimme, ferner der Stimme des kleinen Mädchens und derjenigen der kompetenten Frau. Ich übe mit der Anruferin, den ermutigenden Stimmen in ihr, die es ja auch gibt, mehr Ausdruck zu verleihen und sie nicht von vornherein zum Schweigen zu verurteilen. Im übrigen empfehle ich ihr, sich psychotherapeutische Unterstützung zur Bearbeitung ihrer Selbstwertdefizite zu suchen.

"Umgang mit Krebserkrankung": 42-jährige Frau hat einen Lungentumor, der aber nicht operiert werden kann, da die Frau unter schlimmen Angstzuständen und Panikattacken leidet. Nun geht es ihr darum, ihre Angst wenigstens insoweit in den Griff zu bekommen, dass sie für die bevorstehende Bestrahlung und Chemotherapie gerüstet ist. Den Tod ihres Vaters vor einem Jahr habe sie nicht verarbeitet, sie habe Angst, selbst sterben zu müssen, bevor sie "richtig" gelebt hat. Wir suchen nach einem positiven Satz, der sie motivieren kann: Sie kommt auf "Ich will leben". Ich empfehle ihr, den Arzt dazu zu bewegen, ihr eine stützende Gesprächsbegleitung in ihrer Wohnnähe zu vermitteln. Als erste Hilfe im Umgang mit der Angst schlage ich ihr vor, mit der Angst ein inneres Gespräch zu führen und sich darüber klar zu werden, wozu die Angst gut sein kann, aber auch darüber, dass die Person immer mehr ist als die Angst. Hierzu motiviere ich die Anruferin, bei sich auch andere Persönlichkeitsanteile aufzuspüren, woraufhin sie nach einiger Überlegung unter anderem die Hoffnung, den Glauben und - als Hilfe zur Akzeptanz des Unausweichlichen - auch die Gelassenheit zu entdecken beginnt. Weiter arbeite ich mit der Anruferin ausgiebig daran, ihre "Trotzmacht des Geistes" (Viktor Frankl) zu aktivieren, dem Schicksal durch ein sinnvolles Tun oder eine sinnhaltige Einstellung als eigene personale Antwort zu begegnen. Zu letzterem empfehle ich einschlägige existenzanalytische/logotherapeutische Literatur.

© seit 2002 Marina Hainer, Erika Reischle-Schedler, Michael Schneider  Impressum

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